Vom 06. – 08. Februar setzte eine Veranstaltung in Bad Aibling neue Akzente bei der Verbreitung und Förderung von Schach960 in Deutschland: die im Jahr 2017 gegründete Deutsche Schach960 Stiftung lud ein zum 2. B&O Schach960 Festival. Der außergewöhnlich hohe Preisfonds von insgesamt 10.000 € lockte zahlreiche starke Spieler aus nah und fern nach Süddeutschland. Unter den 40 Teilnehmern waren 11 Großmeister aus vielen verschiedenen Nationen; 22 Teilnehmer und damit mehr als die Hälfte hatten eine ELO-Zahl von über 2000 und sorgten so für ein außergewöhnlich hohes spielerisches Niveau.
Das B&O-Hotel bot den Teilnehmern beste Spiel- und Rahmenbedingungen. Nicht nur dieses angenehme Ambiente und die ersten warmen Frühlingstage sorgte für Entspannung und Erholung unter den Teilnehmern; das Schach960 selbst lässt ein solches Turnier für alle Spieler wieder zum Genuss werden: Keine mit Laptops, Smartphones und anderen elektronischen Hilfsmitteln bewaffnete Teilnehmer, die sich fiebrig zwischen den Runden auf den nächsten Gegner vorbereiten, keine schlaflosen Nächte, in denen das eigene Eröffnungsrepertoire noch einmal überprüft wird oder sogar neue Eröffnungsvarianten ausgekocht werden – stattdesssen Spaziergänge und anregende Gespräche im weitläufigen Hotelpark rund um das schönste Hobby der Welt.
Die Setzliste des Turniers wurde angeführt von den GM Daniel Fridman aus Deutschland, dem Holländer Erik van den Doel, und Boris Chatalbashev, der eigens aus Bulgarien angereist war. 9 Partien gab es zu absolvieren; die Bedenkzeit betrug 25 min für die gesamte Partie + Zeitzugabe von 30 Sekunden pro Zug, was zu einer Partiedauer von 1-2 Stunden führte.
Die Titelträger gingen konzentriert zu Werke und zeigten keine Blöße. Daniel Fridman signalisierte schon mit einem Traumstart von 4 aus 4 (darunter Siege gegen V. Hort, T. Heinemann und E. van den Doel), dass in diesem Turnier an ihm kein Weg vorbeiführen würde. In Runde 5 kam es in gewisser Weise zum für den Turniersieg richtungsweisenden Duell Fridman gegen Kunin: Nach 16 Zügen landeten die beiden in einer ungewöhnlichen Stellung, die beiden ein Höchstmaß an Konzentration abverlangte – keinerlei Ähnlichkeit zu irgendeiner aus dem klassischen Schach bekannten Struktur.
Fridman spürte, dass hier Kreativität gefragt war, und opferte mit 17. Lb5 den Bauern g2. Die erhoffte Initiative blieb aber aus und Fridman musste wenig eine Zugwiederholung anbieten:
Es geschah 23. Db1 Da8 24. Dc2 Da1 25. Db1
Kunin spielt weiter (25. … Ta8), es gelang ihm aber nicht, seiner auf der a-Linie abgeklemmten Dame zu Vitalität zu verhelfen. Nach Rückgabe des Mehrbauern verblieb ein Endspiel, in dem sich dann doch wieder Fridman leichte Vorteile erarbeiten konnte, die jedoch für einen Sieg nicht ausreichten, da seine Königsstellung zu unsicher war.
Hier geschah 43. Se6, wonach Kunin die Zugwiederholung forcierte (43 ….Da4+ 44. Kc1 Da1+ 45. Kc2 Da4+ usw.).
Durch das Remis hielt Fridman die Verfolger auf Distanz.
Fridman drehte auch am Schlusstag überzeugend seine Runden und sicherte sich nach seinem Sieg über Viesturs Meijers quasi schon nach der 8. Runde den Gesamtsieg. Am Ende standen 7 Punkte aus 9 Runden zu Buche. Vitaly Kunin führte einen Pulk von 9 Verfolgern mit je 6 Punkten an; beachtlicher Dritter wurde der auch in der Schlussrunde noch unermüdlich kämpfende Vlastimil Hort. Pechvogel des 3. Tags war Erik van den Doel, der über einen Punkt aus den letzten 3 Spielen nicht hinauskam und mit dem 11. Platz vorlieb nehmen musste. Der weitere Mitfavorit Boris Chatalbashev schwächelte in der Mitte des Turniers (u. a. Niederlage gegen Joachim Kieffer, Bruckmühl) und wurde etwas enttäuschend Elfter.
Nicht nur Erfolg, auch Kreativität wurde in Bad Aibling belohnt: Turnierdirektor Ulrich Zenker initiierte – nach einhelliger Meinung vieler Teilnehmer erfolgreich – einen Wettbewerb zur Ermittlung des „MCP“ (most creative player): jeder Teilnehmer sollte dabei seinen Gegnern für deren kreatives Spiel 0 bis maximal 9 Punkte vergeben. Auf diese Weise konnte jeder Spieler für seine Partien Kreativpunkte erringen. Arpad Botos (SU Ebersberg; 4 aus 9) erhielt dabei von 7 seiner 9 Gegner (!) insgesamt 28 Punkte und wurde, wie auch Annmarie Mütsch (SC Eppingen; 4,5 aus 9), Vlastimil Hort (SV Oberhausen; 6 aus 9) sowie Lukas Buchner (Rosenheim; 3 aus 9) mit Sachpreisen belohnt. Eine Initiative, die auch im klassischen Schach Schule machen könnte !
Auch 2019 wird die Deutsche Schach960-Stiftung ein Schach960-Festival durchführen. Nähere Informationen dazu auf der Homepage der Stiftung (www.schach960.tk)
Von Ulrich Zenker gibt es auch eine Videozusammenfassung des Turniers unter folgender Adresse:
https://www.youtube.com/watch?v=nymIWUuKvsU